Projekt Bilder der Depression
Art Festival 26. - 28. Mai 2023
Projekt
Bilder der Depression
In diesem Projekt beschäftige ich mich mit dem Thema Depression, um die Gefühle und Gesichter dieser Krankheit darzustellen. Durch meine eigene jahrelange Erfahrung mit Depression konnte ich eine Serie von Kollagen erstellen, die aus alten Bildern und Material von einem Schrottplatz besteht und eine Metapher für den Krieg und die Zerstörung des Lebens darstellt. Diese Bilder helfen mir, meine eigene Erfahrung besser zu verstehen und auszudrücken.
Das Projekt
Die Komposition der Bilder zielt darauf ab, narrative Erfahrungen für den Betrachter zu schaffen, wobei jedes Bild eine Geschichte über die Figur auf den Fotos erzählt. Ich bin insbesondere daran interessiert, die Natur meiner eigenen Realität zu erkunden, wie sie sich in den von mir erstellten Bildern widerspiegelt. Zusammen bilden die Fotos in der Serie visuelle Beziehungen, die die Bedeutung der einzelnen Bilder vertiefen. Es sollen Szenen erstellt werden, die über die narrativen Möglichkeiten der herkömmlichen Fotografie hinausgehen. Ich möchte den Betrachter in imaginäre Bereiche entführen, in denen Menschen, Emotionen und jenseitige Schrecken zu fantastischen Porträts verschmelzen.
Für mich entwickelt sich eine Idee nicht sofort. Es ist immer mit einem Prozess verbunden. Die Ideen sind zunächst durch mehrere Schritte entstanden, die am Anfang miteinander in keiner Beziehung standen. Langsam bildete sich für mich ein Zusammenhang, durch den ich die Idee vervollständigen konnte.
Teil 1. Schrottplatz
Es gibt Plätze, die als Inspiration und Ruhe Orte gelten. Viele lieben den Spaziergang am Meer und genießen die Luft und den Wind. Die Natur ist sehr beliebt.
Für mich war der Schrottplatz ein solcher Ruheort.
Ich konnte interessante Sachen entdecken, mit denen niemand etwas anfangen konnte, und genau dies fand ich sehr sinnig. Es ergibt einen Sinn, in unbedeutenden Dingen nach einem Sinn zu suchen. Es waren alter Metallschrott von Industrieschrott bis zu alten Kennzeichen, zerlegte Radios und Elektronik. Alles war bis zur Unkenntlichkeit verformt und zusammen aufgetürmt. Irgendwann habe ich angefangen, diesen Schrott zu sammeln. Ich sammelte ohne Hintergedanken und nahm den Schrott mit ins Atelier. Ich wusste am Anfang nicht, was ich damit anfangen soll. Bis dahin konnte ich in meinem Verhalten kein logisches oder sinniges Muster entdecken.
Nur eine Stimme in mir fragte: Ist es möglich, Leben in diesen undefinierten Gegenständen zu erwecken?
Leben, ja genau, Leben konnte man in diesem Schrott erschaffen. In mir entstand das Gefühl, dass der Schrott ein Symbol für Vergänglichkeit bilden kann. Wir werden irgendwann auch zu dem Schrott und zu den undefinierbaren Gegenständen. Wer wird dann in dem, was von uns übrigbleibt, Leben erschaffen. Langsam wurde mir klar, dass es gar keinen Unterschied zwischen dem, was mit uns passiert, und den Dingen auf dem Schrottplatz gibt. So begannen die ersten Schritte zu dem Projekt.
Teil 2. Alte Fotoalben
In der Zeit, in der ich meinen Vater im Iran besuchte, fand ich in seiner Wohnung einige Fotoalben mit sehr vielen alten Bildern. Er lebt einfach in seiner Vergangenheit und so möchte er alles aufrechterhalten. Alle seine Geschwister sind verstorben und er ist allein mit all diesen Erinnerungen aus seinen Fotoalben. Ich habe das Gefühl, dass er der letzte lebende Mensch aus diesen ganzen alten Bildern ist und dass alle diese Bilder in ihm weiterleben. All diese Menschen, die damals starke und angesehene Persönlichkeiten waren.
Oft denke ich, was wäre, wenn mein Vater nicht mehr leben würde? Was passiert mit diesen ganzen Seelen auf den Bildern? Werden sie in Vergessenheit geraten und niemand wird sich an diese Menschen erinnern? Wie lächerlich ist es, dass wir das Leben so wichtig und ernst nehmen. Selbst die Natur und das Leben kümmern sich nicht um uns. Wir sind für die Natur und das Leben eine flüchtige und unbedeutende Erscheinung.
Als ich wieder zurück nach Deutschland kam, konnte ich die alten Bilder und meinen Vater nicht aus dem Kopf bekommen. Irgendwie beschäftigte mich der Gedanke, wie unwichtig wir eigentlich sind und wie ernst wir das Leben nehmen. Dabei ist alles noch nicht einmal die Wahrheit.
Ist es wahr? Gibt es diese vergessenen Seelen auf diesen Bildern? Es dauerte nicht lange, bis ich bei Ebay viele Angebote von alten Familienalben fand. Ich kaufte viele dieser Alben. Die meisten sind aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Da die Alben sehr ordentlich und auch mit Kommentaren und Texten versehen waren, konnte ich vollständig in diese Welt eintauchen. Auf einigen Seiten sind private Familienbilder mit liebevollen Vätern, die sich liebevoll um ihre Kinder und Frauen kümmern. Auf der anderen Seite sind dort Bilder, auf denen diese Väter im Krieg Menschen umbringen. Wie seltsam die Welt doch ist. Haben diese Familien gewusst, dass irgendwann in der Zukunft ihre Fotoalben in meine Hände fallen, weil es niemanden mehr gibt, der diese Erinnerungen festhalten könnte. Es ist genau wie auf dem Schrottplatz. Die Menschen gibt es nicht mehr und ihre Körper sind von Natur aus recycelt worden. Was noch übrig bleibt, sind diese Fotoalben.
Teil 3. Verbindung
Wie kann ich einen Zusammenhang zwischen dem ganzen Schrott, den ich gesammelt habe, und alten Fotos finden?
Was passiert, wenn ich zwei schon zur Vergänglichkeit verdammte Existenzen miteinander verbinde?
Ein Gefühl von Gewalt, Gefangensein und wahrscheinlich Isolation. Da kann ich eine imaginäre Welt erschaffen, die mit der tatsächlichen Welt in Verbindung steht.
Sie soll sich mit politischen Fragen, aber vielleicht auch mit psychologischen Fragen befassen. Die Bilder sollen einen interessanten Kontrast zwischen einer weichen Ästhetik, einem kunstvollen Aufbau und der Heftigkeit der Elemente, aus denen sie bestehen, vermitteln.
Die Bilder sollen sich mit der Geschichte, Erinnerung und gewalttätigen Ereignissen befassen.
Eine Welt tief in uns. So unrealistisch, dass es das Gesicht der Wahrheit offenbart. Was die Figuren suchen, ist das, was sie immer verloren haben, aber nicht wahrhaben wollen. Ob die Suche nach dem SINN DES LEBENS eine große Lüge ist? Müssen wir alles verstehen? Wird unsere Existenz widersprüchlicher je mehr wir verstehen?
Es ist eine Wolke, in der wir alle leben. Diese Wolke sind wir selbst. Solange wir in dieser Wolke leben, haben wir Hoffnung, freuen wir uns über unser Leben, sind froh, wenn wir unserer Bestimmung gefolgt sind und traurig, wenn alles nicht so geworden ist, wie wir es uns vorgestellt haben. So sind wir unglücklich. Die Ironie an der Sache ist doch, dass wir es selbst sind, die sich das Glück und genauso das Leid erschaffen. Wenn wir diese Wolke verlassen, dann haben wir nichts mehr, um unser Dasein zu begründen. Genau in diesem Zustand wird uns bewusst, was das Nichts ist. Kann sein, dass die Wahrheit das Widerlegen der rein gedanklichen Existenz ist?
Arbeitsweise und Technik
Für diese Serie habe ich sehr viel mit Collagetechnik gearbeitet. Bildkomposition ist ein wundervolles Gemisch aus Mathematik und Bauchgefühl. Aber manchmal ist die Komposition erst stimmig, wenn eines der Elemente ein bisschen aus der Reihe tanzt. Dann fühlt es sich perfekt an. Einige der kompositorischen Grundprinzipien für mich sind: etwas Gleichgewicht, Kontrast, Bewegung, Räumlichkeit und Rhythmus. Bei der Einheitlichkeit ist es so: Wenn ich eine Komposition anschaue und sie nicht vom Gesamteindruck ablenkt, dann ist sie einheitlich, das heißt harmonisch und in sich geschlossen. Ich unterscheide Einheitlichkeit ohne Variationen und Einheitlichkeit mit Variationen.
Für mich hat das Gleichgewicht vornehmlich mit Bauchgefühl zu tun. Es sagt mir, dass mein Bildaufbau nicht hängt, dass nicht eine Seite schwerer ist als die andere. Ein anderer Aspekt ist Rhythmus. Die Muster und Beziehungen zwischen Positiv- und Negativraum machen den visuellen Rhythmus einer Komposition aus und jedes Muster hat seinen eigenen Klang. Bei geschwungenen, großen Formen bewegt sich unser Blick hin und her, gedachte Linien führen ihn auf und ab. Eng stehende Motive mit wenig dazwischenliegendem Negativraum erzeugen schnelle Rhythmen, während Muster mit gleichmäßigen, breiten Zwischenräumen einen ruhigen, beständigen Takt vorgeben. Als vorletzter Punkt ist Kontrast wichtig. Sehr dunkle und sehr helle Farbtöne können dramatische Effekte erzeugen und eine etwas fade Collage beleben, aber es gibt weitere Möglichkeiten, Kontraste durch Farben, Texturen und Formen zu erzielen. Die Intensität des Kontrasts kann Stimmung und Helligkeit eines Bildes verändern, den Schwerpunkt hervorheben und den Blick durch Komposition leiten. Der letzte Punkt betrifft die Räumlichkeit. In einem Bild ist die räumliche Tiefe eine Illusion, doch mit ein paar Tricks kann man die Augen überlisten, eine Fläche als Raum wahrzunehmen. Mehr dazu und zur Inspirationsquelle weiter unten im Text.
Ich finde es nicht sonderlich spannend, dass bei den meisten Collagearbeiten eine zweidimensionale Ebene entsteht. Meistens werden die Bildausschnitte einfach übereinander geklebt, so dass die Collage flächig bleibt. Bei meiner Serie habe ich versucht, einen dreidimensionalen Raum in den Collagen zu schaffen. Jedes Bild soll etwas Besonderes werden, durch Schneiden, Kratzen und Nachbearbeitung. Dafür habe ich alte Bilder geschnitten und mit einer neuen Schicht aus dünnem durchsichtigen Farbpapier beklebt. Häufig habe ich mit einem Schabemesser oder einer Radiernadel die untere Farbschicht freigelegt, so dass ein kontrastreiches Motiv entsteht. Im zweiten Arbeitsschritt habe ich die Bilder mit Gegenständen vom Schrottplatz verbunden. Durch Schneide- oder Klebetechnik konnte ich so die Hauptobjekte entwickeln. Der nächste Schritt war, einen Raum zu erschaffen. Dafür habe ich mit bunter Pappe oder Papier aus alten Fotoalben gearbeitet. Einige Bilder wurden verbrannt. Manche davon habe ich bemalt und so miteinander verbunden, dass ein Raum entstand. Auch mit einem Spiegel habe ich gearbeitet, damit eine Tiefe im Raum entsteht. Inspiriert wurde ich von Francis Bacon. Bacon setzt in seiner Malerei die autoritäre und zwanghafte Wirkung des Raums auf Menschen in Szene. Er stellt Menschen als Opfer räumlicher Gewalt dar. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Raumkonstruktion der Serien sowie auf der Beziehung zwischen Bild- und Betrachterraum. Auch Bethany de Forest erschafft in ihren Arbeiten Welten mit Gegenständen.