Projekt Bilder der Depression

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Projekt

Verborgene Schatten: Eine visuelle Reise durch die Depression

In diesem Projekt widme ich mich dem komplexen Thema der Depression, wobei ich mich darauf konzentriere, die Emotionen und Manifestationen dieser Erkrankung darzustellen. Aufgrund meiner eigenen mehrjährigen Erfahrung mit Depressionen habe ich eine Reihe von Collagen kreiert. Diese bestehen aus alten Fotografien und Materialien von einem Schrottplatz und stellen eine Metapher für Krieg und Zerstörung des Lebens dar. Mithilfe dieser visuellen Darstellungen versuche ich, meine persönlichen Erfahrungen besser zu begreifen und zu artikulieren.

Das Projekt

Die Zielsetzung meiner Bildkompositionen besteht darin, für den Betrachter narrative Erlebnisse zu erschaffen, wobei jedes Foto eine einzigartige Geschichte über seine abgebildete Figur erzählt. Mein besonderes Interesse gilt der Erforschung meiner eigenen Realität und der Art und Weise, wie diese sich in meinen Bildern widerspiegelt. Als Gesamtwerk etablieren die Fotos in der Serie visuelle Beziehungen, die die Bedeutung jedes einzelnen Bildes intensivieren. Ich strebe danach, Szenarien zu kreieren, die über die herkömmlichen narrativen Möglichkeiten der Fotografie hinausgehen. Mein Ziel ist es, den Betrachter in imaginäre Sphären zu entführen, wo Menschen, Emotionen und überirdische Schrecken zu eindrucksvollen Porträts fusionieren.
In meiner Erfahrung formt sich eine Idee nicht augenblicklich, sondern ist immer ein Prozess. Die Ideen sind ursprünglich durch mehrere voneinander unabhängige Schritte entstanden. Mit der Zeit entstand für mich ein Zusammenhang, der es mir ermöglichte, die Idee zu vervollständigen.

Teil 1. Schrottplatz

Es existieren Orte, die als Quellen der Inspiration und Ruhe dienen. Viele Menschen finden ihr Glück in einem Spaziergang am Meer, wo sie die salzige Luft und den frischen Wind genießen. Die Natur ist ein solcher Zufluchtsort, der allgemein sehr geschätzt wird. Für mich war dieser Ort jedoch ein Schrottplatz.
Ich fand es faszinierend, all diese vermeintlich wertlosen Gegenstände zu entdecken, die niemand sonst beachtete. Und genau diese Unbeachtetheit gab diesen Objekten einen besonderen Sinn für mich. Ich sah es als sinnvoll an, Bedeutung in diesen scheinbar unbedeutenden Dingen zu suchen. Altes Industrieschrott, verrostete Nummernschilder, zerlegte Radios und verformte Elektronik – all diese bis zur Unkenntlichkeit deformierten und aufgetürmten Gegenstände hatten ihren eigenen Charme. Mit der Zeit begann ich, diesen Schrott zu sammeln. Ich tat es ohne einen bestimmten Zweck, trug einfach den Schrott in mein Atelier. Am Anfang wusste ich nicht, was ich damit tun sollte. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich kein logisches oder sinnvolles Muster in meinem Verhalten erkennen.
Doch tief in mir stellte eine Stimme eine Frage: Könnte man diesen undefinierten Objekten neues Leben einhauchen?
Ja, genau, neues Leben konnte in diesen scheinbar nutzlosen Gegenständen entstehen. Mir wurde bewusst, dass dieser Schrott ein Sinnbild der Vergänglichkeit darstellen könnte. Letztlich werden wir alle zu einer Form von Schrott, zu undefinierbaren Gegenständen. Wer wird dann in dem, was von uns übrig bleibt, neues Leben schaffen? Es wurde mir langsam klar, dass es keinen Unterschied gibt zwischen dem, was uns passiert, und den Dingen auf dem Schrottplatz. Und so wurden die ersten Schritte zu diesem Projekt eingeleitet.

Teil 2. Alte Fotoalben

Während eines Besuchs bei meinem Vater im Iran entdeckte ich in seiner Wohnung zahlreiche Fotoalben, gefüllt mit alten Bildern. Er scheint in seiner Vergangenheit zu leben, hält mit aller Kraft an den Erinnerungen fest. Alle seine Geschwister sind bereits verstorben und er ist allein mit den Erinnerungen, die in seinen Alben konserviert sind. Manchmal erscheint es mir, als wäre er die letzte lebende Verbindung zu diesen Bildern und als würden all diese Menschen in ihm weiterleben – Menschen, die einst bedeutende und geachtete Persönlichkeiten waren.
Oft frage ich mich, was geschieht, wenn mein Vater einmal nicht mehr ist? Was passiert mit den Seelen, die auf diesen Bildern verewigt sind? Werden sie vergessen werden und wird es niemanden mehr geben, der sich an diese Menschen erinnert? Es erscheint absurd, dass wir das Leben so ernst nehmen, während wir für die Natur und das Leben selbst nur eine flüchtige und unwesentliche Erscheinung sind.
Nach meiner Rückkehr nach Deutschland ließen mich die alten Bilder und Gedanken an meinen Vater nicht los. Der Gedanke, wie unbedeutend wir eigentlich sind und wie ernst wir das Leben nehmen, beschäftigte mich intensiv. Dabei ist alles, was wir als Realität ansehen, noch nicht einmal die absolute Wahrheit.
Stimmt es überhaupt? Existieren diese vergessenen Seelen auf den Bildern wirklich? Schon bald entdeckte ich auf Ebay zahlreiche Angebote von alten Familienalben, die ich erwarb. Die meisten stammen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Da die Alben sehr sorgfältig erstellt und mit Kommentaren und Texten versehen waren, konnte ich in diese Welt eintauchen. Einige Seiten zeigen private Familienfotos von liebevollen Vätern, die sich um ihre Kinder und Frauen kümmern. Und doch finden sich auch Bilder von denselben Männern, wie sie im Krieg andere Menschen töten. Wie seltsam und paradox erscheint doch unsere Welt.
Hätten diese Familien je gedacht, dass ihre Alben eines Tages in meinen Händen landen würden, weil niemand mehr da ist, um ihre Erinnerungen zu bewahren? Es ist eine Parallele zu den Entdeckungen auf dem Schrottplatz. Die Menschen sind nicht mehr, ihre Körper sind längst von der Natur recycelt worden. Was bleibt, sind lediglich diese Fotoalben

Teil 3. Verbindung

Wie gelingt es mir, eine Verbindung zwischen dem Schrott, den ich gesammelt habe, und den alten Fotografien herzustellen? Was passiert, wenn ich zwei Elemente miteinander verknüpfe, die beide der Vergänglichkeit unterliegen?
Daraus könnte ein Gefühl von Gewalt, Einsamkeit und womöglich Isolation entstehen. Hier kann ich eine imaginäre Welt konstruieren, die dennoch eine Verbindung zur realen Welt aufweist. Diese Welt könnte politische und vielleicht auch psychologische Fragestellungen aufgreifen. Die Bilder sollten einen reizvollen Kontrast zwischen feiner Ästhetik, kunstvoller Anordnung und der ungeschminkten Rohheit der Elemente, aus denen sie bestehen, vermitteln.
Die Bilder sollen Themen wie Geschichte, Erinnerung und gewaltsame Ereignisse behandeln. Eine Welt tief in unserem Inneren – so unwirklich, dass sie die Essenz der Wahrheit offenbart. Was die dargestellten Figuren suchen, ist das, was sie stets verloren, aber nie anerkennen wollten. Ist die Suche nach dem Sinn des Lebens womöglich eine Illusion? Müssen wir alles begreifen? Wird unsere Existenz widersprüchlicher, je mehr wir zu verstehen glauben?
Wir leben alle in einer Wolke, und diese Wolke sind wir selbst. Solange wir in dieser Wolke existieren, hegen wir Hoffnung, wir freuen uns über unser Leben, sind zufrieden, wenn wir unserer Bestimmung gefolgt sind, und enttäuscht, wenn die Dinge nicht so verlaufen, wie wir es uns erhofft haben. So sind wir oft unglücklich. Die Ironie dabei ist, dass wir es selbst sind, die sowohl Glück als auch Leid kreieren. Wenn wir diese Wolke verlassen, haben wir keine Begründung mehr für unser Dasein. Genau in diesem Zustand erkennen wir das Nichts. Könnte es sein, dass die Wahrheit in der Negation der rein konzeptuellen Existenz liegt?

Arbeitsweise und Technik

Für diese Serie habe ich sehr viel mit Collagetechnik gearbeitet. Bildkomposition ist ein wundervolles Gemisch aus Mathematik und Bauchgefühl. Aber manchmal ist die Komposition erst stimmig, wenn eines der Elemente ein bisschen aus der Reihe tanzt. Dann fühlt es sich perfekt an. Einige der kompositorischen Grundprinzipien für mich sind: etwas Gleichgewicht, Kontrast, Bewegung, Räumlichkeit und Rhythmus. Bei der Einheitlichkeit ist es so: Wenn ich eine Komposition anschaue und sie nicht vom Gesamteindruck ablenkt, dann ist sie einheitlich, das heißt harmonisch und in sich geschlossen. Ich unterscheide Einheitlichkeit ohne Variationen und Einheitlichkeit mit Variationen.

Für mich hat das Gleichgewicht vornehmlich mit Bauchgefühl zu tun. Es sagt mir, dass mein Bildaufbau nicht hängt, dass nicht eine Seite schwerer ist als die andere. Ein anderer Aspekt ist Rhythmus. Die Muster und Beziehungen zwischen Positiv- und Negativraum machen den visuellen Rhythmus einer Komposition aus und jedes Muster hat seinen eigenen Klang. Bei geschwungenen, großen Formen bewegt sich unser Blick hin und her, gedachte Linien führen ihn auf und ab. Eng stehende Motive mit wenig dazwischenliegendem Negativraum erzeugen schnelle Rhythmen, während Muster mit gleichmäßigen, breiten Zwischenräumen einen ruhigen, beständigen Takt vorgeben. Als vorletzter Punkt ist Kontrast wichtig. Sehr dunkle und sehr helle Farbtöne können dramatische Effekte erzeugen und eine etwas fade Collage beleben, aber es gibt weitere Möglichkeiten, Kontraste durch Farben, Texturen und Formen zu erzielen. Die Intensität des Kontrasts kann Stimmung und Helligkeit eines Bildes verändern, den Schwerpunkt hervorheben und den Blick durch Komposition leiten. Der letzte Punkt betrifft die Räumlichkeit. In einem Bild ist die räumliche Tiefe eine Illusion, doch mit ein paar Tricks kann man die Augen überlisten, eine Fläche als Raum wahrzunehmen. Mehr dazu und zur  Inspirationsquelle weiter unten im Text.

Ich finde es nicht sonderlich spannend, dass bei den meisten Collagearbeiten eine zweidimensionale Ebene entsteht. Meistens werden die Bildausschnitte einfach übereinander geklebt, so dass die Collage flächig bleibt. Bei meiner Serie habe ich versucht, einen dreidimensionalen Raum in den Collagen zu schaffen. Jedes Bild soll etwas Besonderes werden, durch Schneiden, Kratzen und Nachbearbeitung. Dafür habe ich alte Bilder geschnitten und mit einer neuen Schicht aus dünnem durchsichtigen Farbpapier beklebt. Häufig habe ich mit einem Schabemesser oder einer Radiernadel die untere Farbschicht freigelegt, so dass ein kontrastreiches Motiv entsteht. Im zweiten Arbeitsschritt habe ich die Bilder mit Gegenständen vom Schrottplatz verbunden. Durch Schneide- oder Klebetechnik konnte ich so die Hauptobjekte entwickeln. Der nächste Schritt war, einen Raum zu erschaffen. Dafür habe ich mit bunter Pappe oder Papier aus alten Fotoalben gearbeitet. Einige Bilder wurden verbrannt. Manche davon habe ich bemalt und so miteinander verbunden, dass ein Raum entstand. Auch mit einem Spiegel habe ich gearbeitet, damit eine Tiefe im Raum entsteht. Inspiriert wurde ich von Francis Bacon. Bacon setzt in seiner Malerei die autoritäre und zwanghafte Wirkung des Raums auf Menschen in Szene. Er stellt Menschen als Opfer räumlicher Gewalt dar. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Raumkonstruktion der Serien sowie auf der Beziehung zwischen Bild- und Betrachterraum. Auch Bethany de Forest erschafft in ihren Arbeiten Welten mit Gegenständen.

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